Lese-/Rechtschreibschwäche (LRS) und Dyskalkulie
Dyskalkulie-Förderung an der MLKS
Wer Schwierigkeiten hat, richtig zu rechnen, wird im Leben oft schnell auf Hindernisse treffen. Besonders schwer fällt das Rechnen Kindern mit Dyskalkulie: Das Erfassen von Mengen und Zahlen fällt ihnen oft so schwer, dass sie bereits in der Grundschule bei den Grundrechenarten im Unterricht nicht mehr mitkommen, da sie entweder Rechenoperationen nicht durchführen können oder sie aufgrund schlechter Strategien zu viel Zeit für die Lösung von Aufgaben benötigen. Hinzu kommen im Laufe der Schuljahre zunehmende Misserfolge in Mathematik in Form schlechter Zensuren trotz intensiven Übens, welche oft zu Selbstwertproblemen oder sinkender Lernmotivation führen und in einer regelrechten „Mathematik-Angst“ münden können. Mit jedem Schuljahr steigt die Diskrepanz zwischen den Fähigkeiten des Kindes und den Anforderungen der Schule. Schreiben Kinder immer öfter schlechte Noten, ist in der Regel Nachhilfe die erste Maßnahme. Nachhilfeinstitute bieten professionelle Hilfen für jede Klassenstufe an, jedoch ist dies der falsche Weg für rechenschwache Kinder, da ihre Schwierigkeiten im Rechnen zwar auch den aktuellen Schulstoff betreffen, die Ursachen jedoch bereits bei Defiziten im Erwerb mathematischer Voraussetzungen und Grundfertigen liegen. Eine Dyskalkulie zeigt eine deutliche Tendenz zur Chronifizierung und wächst sich nicht von alleine aus, daher ist eine möglichst frühzeitige Erkennung und Förderung nötig. Zwischen zwei und acht Prozent der Bevölkerung sind von Dyskalkulie betroffen.
An der Martin-Luther-King-Schule nehmen wir das schulisch bislang oft unterschätzte Thema Dyskalkulie ernst. Auch wenn es noch keinen Erlass zum Umgang oder Nachteilsausgleich für rechenschwache Kinder gibt, sehen wir die Notwendigkeit, diese Kinder in der Schule zu identifizieren und eine individuelle Rechenförderung anzubieten.
Im fünften Jahrgang werden in Zusammenarbeit mit Fachlehrern und zwei ausgebildeten Förderkräften für Dyskalkulie die mathematischen Fähigkeiten der Kinder gesichtet und auf Grundlage von Zeugnisnoten der Grundschule sowie Unterrichtsbeobachtungen eine erste Vorauswahl möglicher betroffener Kinder getroffen. Nach Kontaktaufnahme mit den Erziehungsberechtigten sowie deren schriftlicher Zustimmung erfolgen eine in der Schule entwickelte Anamnese und Überprüfung der Rechenfertigkeiten des Kindes. Im Anschluss werden, abhängig vom jeweiligen Kenntnisstand der überprüften Kinder, zwei Kleinstgruppen gebildet, die einmal wöchentlich dienstags in der 7. oder 8. Stunde eine individuelle, handlungsorientierte Dyskalkulie-Förderung in der Schule erhalten. Voraussetzung für die Teilnahme an der Förderung sind eine Einverständniserklärung der Erziehungsberechtigten sowie sehr ähnliche Problemfelder beim Rechnen. Eine Dyskalkulie-Förderung erfolgt optimaler Weise im Einzelkontakt, da der Zugang zu mathematischen Strategien sehr individuell ist: die Schüler haben sich bereits eigene Konzepte über Mathematik gemacht, die zum Teil falsch sind und die in der Förderung aufgebrochen und umstrukturiert werden müssen, was Einzelkontakt erfordert, der in einer größeren Gruppe nicht umzusetzen ist. Zudem sind Materialhandlungen nötig zum Verstehen mathematischer Zusammenhänge und müssen engmaschig von der Förderkraft begleitet werden. Ein weiterer, sehr wichtiger Aspekt ist der Abbau von Vermeidungsverhalten, welches sich in einer Gruppe oft potenziert; Wege aus dem Vermeidungsverhalten sind ebenso individuell wie der Zugang zu mathematischen Konzepten. Aus o.g. Gründen haben die an der Schule installierten Fördergruppen jeweils eine maximale Größe von zwei Kindern.
Die Dyskalkulie-Förderung der Kinder beschränkt sich zunächst auf den fünften Jahrgang. Damit rechenschwache Kinder Fortschritte im Rechnen machen, ist neben der wöchentlichen Förderstunde regelmäßiges Üben am individuellen Lernstand notwendig. Um dies zu gewährleisten, werden Übungen in die Lern- und Arbeitspläne implementiert, die die Schüler*innen wöchentlich bearbeiten und die von der Förderkraft besprochen werden. Wichtig für einen Lernerfolg ist zudem die Zusammenarbeit mit den Erziehungsberechtigten, weshalb ein regelmäßiger Austausch zwischen Förderkraft und Erziehungsberechtigten erfolgen soll.
Diagnose und Förderung von LRS
Diagnosekonzept
Schüler*innen der Martin-Luther-King-Schule werden zunächst von den Regelschullehrern in ihrem Schreib- und Leseverhalten genauer betrachtet. Ihre Beobachtungen, auch die Auswertung des Duisburger Sprachstandstests, sind hier Indikatoren, um zu entscheiden, ob ein Kind einer genaueren Testung bedarf.
Diese Schüler*innen absolvieren in einer möglichst entspannten Lernatmosphäre zwei Testverfahren, die konkrete Rückschlüsse darüber geben, ob ein Förderbedarf ihrer Rechtschreib- und/oder Lesekompetenz besteht. Sollten diese Tests einen Förderbedarf in einem Bereich bestätigen, werden die Schüler*innen gezielt fördert. Diese Testungen werden am Ende der Klasse 5 und danach jährlich wiederholt. Zu jedem Schuljahr wird im Sinne des LRS-Erlasses ein angemessener Nachteilsausgleich beschlossen.
Rechtschreibförderung
Grundgedanke
Vor allem Kinder mit Lese-Rechtschreibschwäche sind bei schriftlichen Arbeiten sehr angespannt. Um diesen Kindern wirklich zu helfen, ist es wichtig, ihnen Strategien zu vermitteln, Rechtschreibprobleme zu bewältigen. Die „Freiburger Rechtschreibschule“ beinhaltet vier Strategien und bietet eine angemessene und an der praktischen Umsetzung orientierte Anzahl an Strategien. Daher orientiert sich die Rechtschreibförderung der Martin-Luther-King Schule an dieser Methode und ergänzt sie um notwendige Bereiche. Damit die Idee der Förderung besser nachzuvollziehen ist, erfolgt zunächst eine Darstellung der vier Strategien der Freiburger Rechtschreibschule und ihrer Ergänzungen, danach wird die pädagogische Praxis dargestellt.
Vermittelte Rechtschreibstrategien
Die Sprechsilbe als Einheit der Segmentierung – Sprechschreiben Die FRESH-Methode geht, im Sinne der modernen Gehirnforschung, davon aus, dass die Zusammenführung von Wahrnehmung und Motorik beim gleichzeitigen Sprechen und Schreiben von selbst eine Steuerung des (Recht-)Schreibens ergibt. Daher ist vor allem das Sprechschreiben ein wichtiger Bestandteil der Strategien. Dies wird gemeinschaftlich geübt und mit Silbenbögen, Seitsteppschritten oder Klatschen trainiert.[1] Rhythmisches Verlängern Diese Strategie dient vordergründig der richtigen Schreibweise der Wörter, die am Wort- oder Wortstammende nicht eindeutig lautgetreu sind oder „deren Abbildung von Phonem zu Graphem nicht dem Verhältnis 1:1 entspricht. (Auslautverhärtung und Konsonantenverdoppelung).[2] Ableiten Das Ableiten wird benötigt bei Lautgleichheit von e und ä bzw. eh und äh. „Hier müssen wir auf die Grundform [...] zurückgreifen, also ableiten“[3] (Zähne kommt von Zahn usw.). Merkwörter Wörter, deren Schreibung mit den oben gelernten Strategien nicht ermittelt werden können, gehören in die Kategorie Merkwörter. „Diese können nach Kategorien geordnet werden, die sich im Wesentlichen an den Besonderheiten der Phonem-Graphem-Zuordnung orientieren.“[4] Ergänzungen zur FRESH-Methode Neben den FRESH-Strategien werden den Schülern Strategien zu ‚Nachdenkwörtern‘ vermittelt. Dies bezieht sich auf Rechtschreibprobleme, die man z.B. durch Silbensegmentierung nicht komplett lösen kann, sondern dafür einfache Regeln beherrscht werden müssen (z.B. silbentrennendes h) oder Groß- und Kleinschreibungen. |
Praktische Vermittlung der Rechtschreibstrategien im Unterricht
Jahrgang 5
Noch vor der Diagnose der LRS gilt es, bei jedem Kind sicherzustellen, dass sie Strategien der richtigen Schreibung vermittelt bekommen. Dies stabilisiert das Leistungsvermögen der gesamten Klasse und kommt der Selbstbestimmung und Selbststeuerung entgegen, die den Schüler*innen im Konzept der Lernzeiten vermittelt werden soll. Sie brauchen im Sinne der Sprachförderung einfache Werkzeuge, mit denen sie sich selbst überprüfen können.
Nach einer kurzen Kennenlernzeit bekommen die Schüler*innen sowohl in den Impulsstunden als auch im Lernplan die oben vorgestellten Strategien vermittelt. Für viele Schüler*innen werden diese Methoden sicherlich nicht neu sein, doch die Phase dient der ersten Diagnose und der Wiederholung der Strategien. Die Lehrkraft achtet hier im Besonderen bei der Differenzierung darauf, auch Schüler*innen im Blick zu haben, die diese Strategien bereits beherrschen und eine gesonderte Förderung dieser Stärke benötigen.
Die Schüler*innen mit einer Lese-/Rechtschreibschwäche bekommen von da an einen gesonderten Lern- und Arbeitsplan. Dieser ist in den Bereichen gekürzt, auf die Schüler*innen durchaus verzichten können. Hierbei steht dem Kollegium eine Empfehlung zur Verfügung. Diese gilt es je nach Kenntnisstand des Kindes zu variieren. Zu dem gekürzten Lern- und Arbeitsplan haben die Schüler*innen die Aufgabe, Fördermaterial zu bewältigen. Dieses Fördermaterial arbeitet gezielt an Rechtschreibstrategien. Es orientiert sich, wann immer möglich, an den Unterrichts- einheiten (z.B. Silbensprache im Bereich der Thematik „Gedichte“).
Da Schüler*innen mit einer Lese- und Rechtschreibschwäche oft mit Misserfolgen zu kämpfen hatten und dementsprechend eine niedrige Schulmotivation aufweisen, ist das Material bewusst spielerisch gestaltet.
Da sie die Rechtschreibregeln zunächst im Klassenverband vermittelt bekommen, ist es so möglich, dass sie diese Aufgabe in den Lernzeiten bewältigen und nicht von einem externen Förderkurs abhängig sind, der im Zweifelsfalle Stigmatisierung erzeugen könnte.
Jahrgang 6 -10
Auch hier wird die Rechtschreibförderung, ähnlich wie im Jahrgang 5, überwiegend durch die Lernzeiten vollzogen. Im Jahrgang 6 übt das Material weiterhin gelernte Regeln teilweise wiederholend ein. Die Aufgaben sind groß gedruckt und bieten auf möglichst spielerische Weise Übungsmöglichkeiten.
Ab dem 7. Jahrgang ist davon auszugehen, dass sich die Schüler so unterschiedlich entwickelt haben, dass die Materialien eng an die Schüler*innen angepasst werden müssen, wenn ein Lerneffekt erzielt werden soll. Dies kann nur die unterrichtende Lehrkraft leisten. Sie wird durch Materialempfehlungen unterstützt, die stetig erweitert werden.
Leseförderung
Grundgedanke der Leseförderung
Vor allem bei leseschwachen Schüler*innen gilt es, die Motivation aufrecht zu halten bzw. zu entwickeln. Dies wird nur dann geschafft, wenn die Leseflüssigkeit der Schüler*innen gefördert wird. Im Sinne des Begriffs reading fluency setzt ein ausreichender Grad an Leseflüssigkeit auf der Wort- und Satzebene kognitive Möglichkeiten frei, die für die höheren Verstehensprozesse benötigt werden. Ein nachvollziehbarer Zusammenhang: „Wenn nämlich die hierarchieniedrigen Dekodierungsprozesse zu viel Aufmerksamkeit beanspruchen, weil Wörter und Satzteile mehrere Male langsam erlesen werden müssen, können längere und kompliziertere Textabschnitte kaum mehr bewältigt werden.“[5] Ebenfalls auf der motivationalen Ebene plausibel: Wer flüssig liest, liest auch lieber. Die Leseflüssigkeit ordnet sich bei den Lesekompetenzstufen nach IGLU 2006 in der Kompetenzstufe I „Dekodieren von Wörtern und Sätzen“ ein. Die Stufen II-V werden daraufhin in den Blick genommen.
Anmerkungen zur praktischen Umsetzung im Unterricht
Reguläre Arbeit mit den Lernplänen
Wie oben erläutert, liegt neben den regulären Lernplänen eine gekürzte Version der Lernpläne vor. Die Texte in diesen Lernplänen sind im Jahrgang 5 überwiegend nach Silben farblich segmentiert, um die Leseflüssigkeit zu verbessern. Dies beschränkt sich fast ausschließlich auf Texte der ersten Stufe. Dies ist eine Empfehlung und kann in Abhängigkeit von Leistungs- und Arbeitsverhalten der Schüler*innen bei Bedarf variiert werden. Um das selbstständige Arbeiten in den Lernzeiten zu fördern, sind teilweise auch längere Aufgaben so überarbeitet, dass die Aufgabenstellung in der Einzelarbeitsphase ohne Hilfe verständlich ist.
Hier und auch in den höheren Jahrgängen stehen den Regelschullehrer*innen weitere Materialkorpora zur Verfügung, die in den Lernzeiten, angepasst an die individuellen Bedürfnisse der Schüler, bearbeitet werden.
[1] Brezing/ Maisenbacher u.a.: FRESH Freiburger Rechtschreibschule. Grundlagen Diagnosemöglichkeiten. LRS-Förderung in der Schule. AOL Verlag. Hamburg 2018. S. 21.
[2] Ebd., S. 24
[3] Ebd., S. 25
[4] Ebd., S. 25. Zur genaueren Erläuterung der Strategien eignet sich das Grundlagenbuch ebenfalls.
[5] Rosebrock u.a.: Leseflüssigkeit fördern. Lautleseverfahren für die Primar- und Sekundarstufe. Kallmeyer in Verbindung mit Klett. Seelze. 2011. Seite 15.